Yahia Al-Sheikh geboren 1945 in Allattlata, im Süden des Irak,
hat Malerei, Druckgrafik und Kunstgeschichte studiert,
lebt und arbeitet in Trondheim/Norwegen – und Tunesien.
So liest sich der künstlerische Lebenslauf von Yahya Al-Sheikh in Kurzfassung.
Doch da ich die Ehre und große Freude hatte, den Künstler Yahya Al-Sheikh anlässlich seiner Ausstellung „Der Talisman der alten Welt erwacht“ im Salon Modena Art kennenzulernen und zur Eröffnung der Ausstellung ein paar Worte zu sagen, möchte ich euch gerne ein wenig mehr über ihn erzählen.
Über Yahya Al-Sheikh
Hineingeboren in die geheimnisvolle Welt der Mandäer – einer Glaubensgemeinschaft, die auf Johannes den Täufer zurückgeht – wurde er schon früh mit tiefer Spiritualität, Naturverbundenheit und geheimnisvollen Riten vertraut. So verbrachte er die ersten Jahre in Allattlata, einer kleinen Mandäer-Siedlung am Ufer des Tigris.
Die alten Männer mit ihren weißen Roben und langen Bärten, die Wasserzeremonien, die Dattelpalmen, die Lehmhäuser mit ihren Dächern aus Palmblättern, in denen sich nachts die Schlangen tummelten – die Riten und geheimnisvollen Zeremonien: All das gehörte zum Leben des kleinen Yahya, bildete seine Welt, aus der er mit 6 Jahren herausgerissen wurde, als die Familie in die Stadt zog. Mit unseren Worten gesprochen, kam es für ihn der Vertreibung aus dem Paradies gleich.
Seit jenen Tagen ist er auf der Suche, nach einem Platz, der ihm dieses Gefühl von Verbundenheit, von „hier gehör ich hin“, das Einssein mit der Natur wieder spüren lässt, welches er in seiner frühesten Kindheit so selbstverständlich empfand.
Er lebte an vielen Orten, im Irak, Jordanien, Russland, Syrien, Libyen, Tunesien und Norwegen, erlebte viel – Schönes und weniger Schönes -, doch dieses Gefühl von Verbundenheit fand er immer nur kurz, in der Natur. Und wann immer er es erlebte, fing er es ein in seiner Kunst, nutzte ihre Kraft als Inspirations- und Kraftquelle – und ein neuer Werkszyklus entstand.

(Yahya Al-Sheikh mit dem Musiker Marwan Abado bei der Ausstellung im Salon Modena Art)
Die Kunst von Yahya Al-Sheikh
In seiner Kunst überschreitet Yahya Al-Sheikh immer wieder Grenzen und lässt sich auf aufregende, ästhetische Abenteuer ein, die ihn aus der Stagnation des Altbekannten herausführen. Wobei es ihm vor allem darum geht, nicht in die Gefilde der dekorativen ethnisch-verhafteten Volkskunst abzutriften.
So zieht es ihn, wie viele andere Künstler vor ihm, immer wieder zu den archaischen Ausdrucksformen und der kreativen Spontanität der Frühzeit der Menschheit. Höhlenmalereien, frühe Skulpturen und geheimnisvolle Schriftzeichen dienen ihm als unerschöpfliche Quelle künstlerische Inspiration.
Auf der Suche nach einer neuen Bildsprache und Ausdrucksform entdeckte er Anfang des 21. Jahrhunderts gekämmte Wolle als künstlerisches Medium. Diesem, ihm aus Kindheitstagen so vertrautem, einfachen Mittel blieb er viele Jahre treu und es entstanden zahlreiche Filzbilder.
Mit den Wollfäden tauchte er tief in die Seele ein – bis in jene Schichten wo die verborgensten Anteile liegen, holte sie ans Licht, machte sie sichtbar und zu Werken von tiefer Bedeutung.
Heute entführt er uns mit seinen Talismanen in eine Welt jenseits unserer aufgeklärten Sichtweise.
Seit Anbeginn der Menschheit trugen die Menschen Gegenstände bei sich, denen sie magische Eigenschaften zuschrieben. Sie sollten den Träger vor verschiedenen Einflüssen schützen, bestimmte Geschehnisse wie Liebe und Glück anziehen oder ihm Kräfte und Wesenszüge verleihen, die ihm auf seinem Lebensweg von Vorteil sein konnten.
Gerade in Zeiten wo wir Angst haben und voll Sorge sind, greifen wir gern zu Zeichen, die uns helfen, unseren Glauben und unser Vertrauen nicht zu verlieren.
Die Entstehung der Talismane
Es ist etwa 4 Jahre her, als Yahya ein Buch schrieb, eine Metapher über die Macht des Bösen, für dessen Illustration er Zeichnungen schuf, die die verwendete schwarze Magie symbolisieren sollten – Zauberbilder des Bösen.
Im Laufe seiner weitreichende Recherche, die ihn zu unzähligen Bildern und Dokumenten über Talismane in allen Kulturkreisen führte, entstand die Idee zu dieser Serie.
Doch wie immer bei Yahya, ist es nicht die einfache Übernahme überlieferten Gedankenguts, sondern er bedient sich nur der Symbole, der Bild- und Schriftelemente, ergänzt sie mit seinen eigenen Ideen und ästhetischen Vorstellungen, komponiert sie so zu etwas Neuem. Und doch ist es auch ein Wandeln auf den Spuren der Väter, denn sein Großvater verfasst noch ‚wirkliche‘ Talismane. So verbinden sich Tradition und Innovation zu Kunst.
Yahya Al-Sheikh verwendet zur Schaffung seiner Talismane überlieferte, archaische Symbole aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen – wie z.Bsp. Element aus Babylon, Persien, Indien, dem arabischen Raum, China, Japan oder Afrika – mixt sie mit Schriftzügen in Mandai, Arabisch und einer selbstkreierten Kunstsprache, ergänzt seine Arbeiten teilweise mit Auszügen aus dem Koran und anderen Texten – und erschafft so etwas Eigenständiges.
Es sind ästhetische Zeugnisse des Mysteriums des Lebens, in denen sich unsere Emotionen spiegeln – Liebe und das Vertrauen in eine größere Macht treffen auf Angst, Hass, Neid und Missgunst – es ist das ewige Spiel zwischen Liebe und Angst – in immer neuem (oder besser „altem“) Gewand.
Licht und Schatten
Wir alle tragen Licht- und Schattenseiten in uns. Je nachdem wie gut wir all unsere Anteile kennen und annehmen können, desto mehr Kraft steht uns zur Verfügung.
So können wir die Talismane nutzen, um uns daran zu erinnern, dass die wahre Macht, die Kraft unserer Gedanken ist und in uns selbst liegt.
Yahya hat in den letzten 4 Jahren 318 dieser Talisman-Bilder geschaffen, auf weißem und schwarzen Papier sowie auf Leder. Die bald auch in Form von 4 Büchern erscheinen werden.
Und wer weiß, vielleicht können ja bald auch bald über eine Serie von Talisman-Radierungen freuen, denn die ersten Arbeiten dieser Art sind schon während seines Aufenthaltes in Wien entstanden 😀
Mehr zu Yahya Al-Sheikh findest du auf seiner Homepage: www.yahyaalsheikh.com
Künstlerbiografie Yahya Al-Sheikh
geboren am 5.4.1945 in Allattlata, einer Mandäer Siedlung nördlich von Qal’at Salih in Maisan, im Süden des Irak, lebt und arbeitet in Livanger, Norwegen.
1966 Diplom – Studium der Malerei in Bagdad, Irak
1970 Dipolm – Graphikstudium in Ljubljana, Slovenien
1984 Diplom – Kunstgeschichte in Moskau, Russland
arbeitet auch als Designer, Illustrator und Kunstprofessor (seit 1972)
Künstlerische Bereiche:
Druckgraphik, Zeichnungen und Malerei, Filzbilder, Federbilder, Skulpturen aus Ton Fotografie
Einzelausstellungen in:
Irak, Russland, Lybien, Tunesien, Norwegen, Großbritannien, Frankreich und Österreich, sowie zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen ( in Polen, Brasilien …)
Wenn du gerne mehr über die Mandäer und ihre Gebräuche erfahren willst, in der Dissertation „Die Mandäer Irans – Kulturelle und religiöse Identität einer Minderheit im Wandel“ von Caroline Nik Nafs, wirst du fündig.
(April 2018)
Fotos: Andrea Bauer