… ist Schatzhüter und Kulturträger.
Sein Schatz ist viele Tonnen schwer, umfasst mehrere tausend Stück und ist jedermann zugänglich.
Die Rede ist von einem Quell an Unterhaltung und Wissen. Einem Schatz, der dir Anregung bietet, dich zum Träumen einlädt, dich ungeahnte Abenteuer erleben lässt oder es dir ermöglicht, ein wenig Abstand zum Alltag zu nehmen, indem du in andere Leben/Welten eintauchst. Bücher.
Gerhard leitet seit mehreren Jahren ehrenamtlich die Bücherei in Seyring und hat es sich außerdem zur Aufgabe gemacht, das Kulturzentrum seines Heimatortes zum Schauplatz interessanter Lesungen, Vorträge und Ausstellungen zu machen.
Die Geschichte der Bücherei Seyring
Alles begann 1968 als der Vater von Gerhard erfuhr, dass die Betriebsbücherei der Firma Siemens zum Verkauf stand. In den Sechzigerjahren gab es noch in vielen Großbetrieben eigene Büchereien für die Mitarbeiter, Volksbildung wurde großgeschrieben. Ing. Josef Körmer (Gerhards Vater), der zu dieser Zeit Bürgermeister von Seyring war, sah darin eine große Chance und setzte alle Hebel in Bewegung um die 4000 Bände umfassende Bibliothek für seine Gemeinde erwerben zu können. Und es gelang. Das Geld konnte aufgebracht werden und die Bücherei Seyring eröffnete kurz darauf im 2. Stock des neugebauten Gemeindehauses seine Pforten. Und wie das so ist, wenn etwas total stimmig ist, die gesamte Einrichtung samt Büchern der ehemaligen Betriebsbücherei passte haargenau in die neuen Räumlichkeiten und konnte 1:1 in Seyring wieder aufgebaut werden.
Um die Betreuung der Bücherei kümmerten sich die Gemeinderatsmitglieder ehrenamtlich.
So begann für den damals 8-jährigen Gerhard ein Leben inmitten von Wissen und Abenteuern. Jeden Donnerstag, wenn die Bücherei geöffnet hatte, begleitete er seinen Vater dorthin und tauchte ein in die Welt der Bücher, die ihn seither nicht mehr losließ.
Doch 1970/71 als die Gemeinde Seyring mit Gerasdorf zusammengelegt werden sollte, drohte das Aus für die Bücherei. Nur einem gewieften Schachzug von Herrn Körmer und seinen Gemeinderatskollegen ist es zu verdanken, dass die Bücherei für Seyring erhalten blieb. Durch die Gründung des Kultur-, Sport- und Verschönerungsvereins (kurz KSV) wurde die uneingeschränkte Nutzung der Sportanlage im Schlosspark von Seyring mit der Auflage der Führung einer Bücherei verknüpft. Und dieser Vertrag war auch nach der Zusammenlegung der Gemeinden rechtsgültig und bindend.
1999 hat die Gemeinde Gerasdorf den Comtessentrakt des Schlosses Seyring erworben, hergerichtet und in ein Kulturzentrum umgewandelt und die Bücherei übersiedelte in diesen Bereich.
Bereits seit 1985 gab es jeweils am 25. Oktober eine Veranstaltung zur Einstimmung auf den Nationalfeiertag – wobei der erste Teil den Nationalfeiertag zum Thema hatte und der zweite Teil der Unterhaltung diente (meist wurden Dia-Shows gezeigt).
Start der Kulturveranstaltungen der Bücherei Seyring
Gerhard wuchs durch seinen Vater richtig in die Bücherei hinein. Erst war er begeisterter Leser, dann ab 1984 aktiver Mitarbeiter und seit 2010 ist er Leiter der Bücherei. In dieser Funktion war es ihm auch möglich, etwas völlig Neues zu machen – nämlich nicht nur Bücher, sondern auch Autoren nach Seyring zu bringen.
Seit 2011 veranstaltet die Bücherei Seyring regelmäßig Autorenlesungen (meist aus Krimis), szenischen Lesungen sowie Vorträge zu interessanten Themen. Anfangs waren es 3 Veranstaltungen pro Jahr, doch mittlerweile sind es bereits 4 und sie erfreuen sich regen Zuspruchs. Bis zu 120 Personen fasst der Saal im Schloss Seyring und die Veranstaltungen sind immer gut besucht.
Wie Gerhard zu den Autoren kam
Für die erste Lesung lud Gerhard Eva Rossmann ein, die in der ganzen Gegend um Seyring bekannte und geschätzte Krimiautorin und Köchin. Danach traf er auf der Buchmesse auf Wolfgang Weiss, einen Mödlinger Krimiautor, der von der Idee begeistert war und dann ging es Schlag auf Schlag. Teils lernte er die Autoren zufällig bei Veranstaltungen kennen, teils wurden sie ihm empfohlen bzw. von anderen Autoren vorgestellt oder das Thema war einfach so passend, dass er sie anschrieb – wie im Fall von Andi Pittler, dessen Buch „Zores“ die Ereignisse von 1938 und den Anschluss an Deutschland zum Thema hatte und somit ideal zu den Veranstaltungen am 25.10. passte. Denn die sind Tradition und werden fortgesetzt.
Seit 2013 werden die Lesungen auch noch durch passende Ausstellungen ergänzt und aufgewertet. Gezeigt werden Bilder und Fotografien.
Die Finanzierung
Eine kleine Bücherei, wie die in Seyring, ist stark auf Spendengelder angewiesen, denn die Förderungen durch die Gemeinde und sonstige Einrichtungen sind spärlich und die Einnahmen aus der Bücherentlehnung sind mehr symbolisch.
Im Moment beträgt der Mitgliedsbeitrag pro Familie EUR 2,- pro Jahr und 10 Cent pro Entlehnung und Woche für Erwachsene; für Kinder und Jugendliche ist die Entlehnung gratis. Bei den Veranstaltungen der Bücherei ist der Eintritt frei. Das ist auch etwas, was Gerhard sehr wichtig ist, denn „Kunst und Unterhaltung soll allen zugänglich sein“.
Einmal im Jahr geht ein Brieferl an alle Seyringer Bürger raus, mit der Bitte um Unterstützung. Und dieser Aufforderung folgen sie gerne, denn den Seyringern ist ihre Bücherei wichtig. Ist sie doch eine enorme Bereicherung des Alltags und bedeutet ein Stück Lebensqualität.
Der Einsatz
Gerhard kümmert sich in der Bücherei um den Bucheinkauf, die Verwaltung, Organisation der Lesungen, Terminplanung sowie die gesamte Bewerbung der Veranstaltungen. Er gestaltet die Plakate und Flyer, verteilt sie in den Geschäften und Gaststätten der Umgebung, versendet Email-Einladungen u.v.m. Die Bücherei ist eine Lebensaufgabe für ihn geworden, die er gerne macht.
Doch ohne ein tatkräftiges Team von ehrenamtlichen Helfern wäre es dennoch nicht zu schaffen. Die Bücherei ist 2x pro Woche geöffnet. Am Dienstag-Nachmittag von 15:30 – 16:30 (während der Schulzeit) sowie am Donnerstag von 18 – 20 Uhr.
Zurzeit engagieren sich neben Gerhard auch sein Vater, seine Lebensgefährtin Martina Meyer, Sonja Lavicka, Dorli Dangl sowie Bernhard Gaishofer für die Bücherei. Sie alle sind aktiv am Erfolg dieses Projektes beteiligt, kümmern sich um die Vorbereitung der Bücher für die Entlehnung, betreuen die Bücherei während der Öffnungszeiten und packen an, wo immer Hilfe gebraucht wird.
Bernhard Gaishofer, so hofft Gerhard, könnte vielleicht eines Tages die Bücherei weiterführen. Denn der junge Mann hat die besten Voraussetzungen dafür, da er bereits eine Bibliotheksausbildung hat und gerade die Ausbildung zum Buchhändler macht.
Die Lesungen und Vorträge organisiert Gerhard ganz allein.
Seine Lebensgefährtin Martina kümmert sich dann während der Veranstaltung um das Buffet und verwöhnt die Gäste mit ihrem berühmten und vielgelobten Speckkuchen. Bei der Vorbereitung des Raumes erhält das Projekt Unterstützung von Seiten der Gemeinde.
Worum es Gerhard vor allem geht
Gerhard will niveauvoll unterhalten, so stehen vor allem Krimis sowie Vorträge auf dem Programm, frei nach dem Motto
„Lieber Freitag-Krimi im Kulturzentrum
statt Sonntag-Tatort im Fernsehen“
Damit will er sich auch von der 2. Literaturschiene in Gerasdorf „Literatur im Schloss“ abheben. Dass sein Konzept aufgeht, zeigt auch, dass nicht nur die Kunden bzw. Leser der Bücherei die Veranstaltungen besuchen, sondern auch viele andere.
Und da es ihm ein Anliegen ist stets was Neues zu bieten, bleibt das Veranstaltungsprogramm für alle hochinteressant.
Rückblick auf das Veranstaltungsprogramm seit 2011
2011 begann alles mit der Lesung von Eva Rossmann aus ihrem Krimi „Unterm Messer“. 2012 gab es dann bereits 3 und seit 2013 stehen 4 Veranstaltungen auf dem Programm. Eine dieser Veranstaltungen ist immer am 25.10. – denn dieser Termin ist Tradition in Seyring.
Bisher konnte Gerhard folgende Krimi-Autoren nach Seyring holen:
Eva Rossmann, Wolfgang Weiss, Hermann Bauer, Andreas Pittler, Gerhard Loibelsberger, Günther Thömmes, Sabina Naber, Christian Klinger, Martin Mucha und Sigrid Neureiter.
Es gab auch eine szenische Lesung mit Christina Saginth und RRemi Brandner, eine Geburtstagslesung zum 90. Geburtstag von Gerhards Vater sowie 2 Vorträge von Christian Pinter mit den Titeln „Galileo Galilei – Märtyrer der Wissenschaft?“ und „Eulen nach Athen … geflügelte Worte Griechenlands“.
Seit 2013 werden die Veranstaltungen der Bücherei auf die Initiative der Outdoor-Galerie Spielraum, Gabi Ergenz, auch mit Ausstellungen ergänzt. Gezeigt wurden bisher Bilder von Renate Pistracher, Martin Gubo, Andrea Bauer, Monika Kus-Picco, Martina Reinhart (ihre Bilder wurden heuer unter anderem auf der Biennale in Venedig ausgestellt) sowie Fotos von Sabina Naber.
Das Programm 2016 wird sogar noch abwechslungsreicher:
Fr. 19. Feb. 2016 um 19.30 Uhr
liest Roman Klementovic aus seinem Thriller „Immerstill“.
Begleitet wird er dabei von den beiden Musikern der Band „my house in spain“.
Fr. 6. Mai 2016 um 19 Uhr
liest Ilona Mayer-Zach anlässlich des bevorstehenden Muttertages.
Sa. 9. Juli 2016 um 19.30 Uhr
präsentiert Gerry Loibelsberger mit seiner Band Club Dada: „18 Mördersongs – Loibelsbergers kriminelles Wien“ nach tatsächlich in Wien passierten Mordfällen.
Mo. 25. Okt. 2016 um 19.30 Uhr
gibt es eine Doppelconference mit Jenny B. Wind und Veronika Grager als „Mordsschwestern“
Eine Anmeldung zu den Veranstaltungen ist erwünscht (stadtbuecherei.seyring@gmx.at)
Unter dieser Mailadresse kannst du auch für den Veranstlatungs-Newsletter anfordern.
Und er macht weiter, denn es ist ihm wichtig. Er sagt (und bezieht seine Lebensgefährtin Martina mit ein):
„Wir haben durch die Veranstaltungen so viele Bekanntschaften und neue Freundschaften gewonnen, alleine das ist es wert weiterzumachen. Zu sehen wie sich alle wohlfühlen ist schön und wertvoll für uns – ein Schatz.“
Wenn man mit Gerhard über die Bücherei und die Veranstaltungen spricht, spürt man sofort sein großes Engagement. Hier steckt sein ganzes Herzblut drinnen und er fiebert jeder Veranstaltung entgegen, ist vorher nervös wie vor einem Bühnenauftritt. Doch wenn alles läuft und es den Besuchern gefällt, dann strahlt er und weiß, dass es den Einsatz wert war.
Gerhard investiert viel Zeit und Energie in diese Projekte, doch dass er es gerne tut zeigt schon die Aussage „es bereichert uns ungemein“ – und es erfreut so viele, auch mich. Ich komme immer wieder gerne zu den Veranstaltungen ins Schloss Seyring.
Was mich fasziniert
Ich liebe Bücher und weiß, wie wichtig es ist, schon als Kind den Zugang dazu zu haben. Gerade dann ist es besonders wichtig, dass die Bücherei in der unmittelbaren Wohnumgebung ist. Ich hatte Glück, denn es auch in meiner Kindheit eine kleine Bücherei in der Nähe und engagierte Menschen wie Gerhard, die sie ehrenamtlich betreuten. Ihnen bin ich heute noch sehr dankbar, denn sie haben mir ein Fenster zur Welt geöffnet.
Bücher sind für mich von unschätzbarem Wert, denn sie bieten mir Anregung, Unterhaltung und jede Menge Wissen. Und sie ermöglichen es mir, in schwierigen Zeiten, meine Probleme für eine Weile zu vergessen, indem ich in ein Buch und seine Geschichte eintauche.
Ein arabisches Sprichwort sagt:
Ein Buch ist ein Garten, den man in seiner Tasche trägt.
Deshalb freue ich mich, dass es Menschen wie Gerhard und sein Team gibt, die diesen Schatz den Menschen in ihrer Umgebung zugänglich machen und erhalten. Und mit den großartigen Veranstaltungen bietet er allen zusätzlich eines wunderbares Unterhaltungsprogramm zum Nulltarif – ein echtes Zuckerl.
Das Lebensmotto von Gerhard
„Carpe Diem – nütze den Tag“
(Horaz)
Kurzinfo über Gerhard Körmer
- geboren 1960
- lebt in Seyring, mit seiner Lebensgefährtin Martina
- Finanzbeamter im zolltechnischen Dienst, Büchereileiter, Eventorganisator
Stadtbücherei Seyring
im Kulturzentrum im Schloss Seyring
Schloss-Straße 7
2201 Seyring
stadtbuecherei.seyring@gmx.at
(November 2015)
Fotos © Gerhard Körmer