Paternoster in Wien – eine aussterbende Spezies

Seit ich als Kind das erste Mal mit einem Paternoster gefahren bin, faszinieren mich diese alten Aufzüge – oder Personen-Umlaufaufzüge, wie sie eigentlich heißen. Wann immer ich dieses Thema anspreche, erinnern sich viele an den Paternoster im NIG (dem Neuen Institutsgebäude der Universität Wien). Doch diese gehört leider der Erinnerung an, denn er wurde 2007 durch einen herkömmlichen Aufzug ersetzt. Doch es gibt sie NOCH, diese Dinosaurier der Personenbeförderung und sie versehen ihren Dienst oft mit einer holzvertäfelten Noblesse.

Sieben dieser Nostalgielifte sind heute noch in Wien in Betrieb

Der älteste Paternoster (1911) befindet sich übrigens im Haus der Industrie am Schwarzenbergplatz. 4.

Die Paternoster genießen eine Ausnahmestellung unter den Aufzügen, sie sind aus dem Aufzugsgesetz ausgenommen. Doch um eine größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten unterliegen sie strengen Wartungsbestimmungen. Johann Zolles (der über 30 Jahre den Paternoster im Haus der Industrie wartete) verriet 2012 in einem im Standard veröffentlichen Interview wie die Wartung eines Paternosters aussieht.

Sie versehen zum Teil seit über 100 Jahren ihren Dienst und stellen eine Attraktion dar, die von vielen noch unentdeckt ist.

Seinen Namen verdankt der Paternoster übrigens dem Rosenkranz, da seine Kabinen wie die Perlen des Rosenkranzes auf einer Kette aufgereiht sind und sich in einer Endlosschleife bewegen.
Wie das genau funktioniert, erfährst du am Ende des Artikels.

Diese Paternoster sind frei zugänglich und laden zu einer Probefahrt ein:

  • Rathaus, Stiege 6 (1., Eingang Felderstraße) seit 1918
    Mo – Fr von 6.30-16 Uhr in Betrieb

    Mit dem Paternoster kommst du übrigens auch in die Wienbibliothek (1. Stock)
    Derzeit gibt es dort noch bis 21.09.2018 die Ausstellung 1938
  • Bürogebäude Trattnerhof 2 (1010 Wien) seit 1912
    Mo – Do von 8-17 Uhr, Fr. von 8-12 Uhr in Betrieb

Die anderen noch aktiven Paternoster befinden sich in Bürogebäuden, die meist nur fürs Personal oder Kunden (nicht öffentlich) zugänglich sind:

  • Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (1010 Wien, Stubenring 12)
  • Wiener Städtische Versicherung (1010 Wien, Schottenring 30, Ringturm)
    nach den Aufzügen durch die Glastür und dann rechts
  • Wiener Städtische Versicherung (1020 Wien, Obere Donaustraße 49-53)
  • Haus der Industrie (1030 Wien, Schwarzenbergplatz 4)
  • Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau – VAEB (1060 Wien, Linke Wienzeile 48-52) – derzeit in Reparatur (für unbestimmte Zeit)

Außerhalb von Wien gibt es noch einen weiteren Paternoster in Klagenfurt, in der Hauptverwaltung der KELAG, der Kärntner Elektrizitäts-Aktiengesellschaft (9020 Klagenfurt, Arnulfplatz 2).

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Ich fand es jedenfalls spannend, mal wieder mit einem Paternoster zu fahren – ein kleines Abenteuer im Alltag und eine willkommene Abwechslung in unserer schon so überbehüteten Welt.

Heute geht der Trend ja immer mehr in Richtung Glassturz. Aus Angst vor möglichen Schadenersatzansprüchen will man uns vor allem und jedem schützen, und man spricht uns das Recht, aber auch die Verantwortung ab, auf uns selbst aufzupassen.

Statt einem gesunden Umgang mit möglichen Gefahren, lernen wir, diesen aus dem Weg zu gehen und werden so immer ängstlicher, abhängiger und manipulierbarer.
Ups, das klingt jetzt schon ganz nach (m)einer persönlichen Paternoster-Revolte 😀

Und so wird aus einer einfachen Paternoster-Fahrt nicht nur ein kleines Abenteuer im Alltag, sondern ein Statement für mehr Selbstverantwortung 😀
und erinnert so herrlich an den Nervenkitzel, den wir schon als Kinder dabei empfanden

Funktionsweise eines Paternosters

Falls du, so wie ich, schon immer wissen wolltest, wie so ein Paternoster denn eigentlich funktioniert und was genau passiert, wenn er oben die Richtung ändert, wirst du hier fündig.

Doch ganz ehrlich, ohne die Animation, wär ich nie draufgekommen, dass das ganze Geheimnis in einer Querverstrebung der Kabinen liegt, sodass eine Aufhängevorrichtung vor und eine diagonal dahinten liegt.

Animation eines Paternosteraufzugs:
(Author=
RokerHRO )

(Juni 2018)
Text und Fotos: Andrea Bauer

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13 Kommentare, sei der nächste!

  1. gehe öfter ins Rathaus „Paternosterfahren“.
    Macht richtig Spass, bin schon 71.
    Kann mich erinnern, dass es auch einen in der Krankenkasse – Mariahilf gegeben hat.
    LG Gisela

    1. Liebe Gisela,
      an den Paternoster in der WGKK kann ich mich auch noch gut erinnern.
      Doch dieser Paternoster gehört leider ebenso der Vergangenheit an, wie der im NIG (Neuen Institutsgebäude der Uni Wien).
      Liebe Grüße
      Andrea

  2. Hallo zusammen, ich bin ein Kind des 3. Bezirks (53 Jahre) und kann mich auch noch an den Paternoster im Bezirksamt am Karl Borromäus Platz erinnern. Vermutlich gibt es den auch nicht mehr… Schade… LG, Christian

    1. Lieber Christian,
      danke für den Hinweis. Es war mir nicht bekannt, dass es im Bezirksamt Landstraße auch einen Paternoster gab. Ich weiß nur von dem im Bundesrechenzentrum (BRZ), der 2017 stillgelegt wurde. Ich werd mich diesbezüglich mal schlau machen 😀
      Liebe Grüße
      Andrea

  3. In der Zentrale der Creditanstalt-Bankverein, Schottengasse 6-8 (seit Mai 2021 Interspar) gab es sehr lange noch die Anlage incl. Kabinen zu
    sehen. Dürfte spätestens, als die Bank Austria vor ein paar Jahren das Haus verkaufte, abgebaut worden sein. Schade (der Paternoster fuhr bis ins Dachgeschoß, wo sich die Küche der CA befand)! Auch die Rohrpost-Anlage gab es viele Jahre, bis Fax und später Internet sie zum „Alteisen“ beförderten…Man konnte die stillgelegte Anlage allerdings noch sehr lange besichtigen.
    Aber wenigstens im Rathaus kann man noch den Paternoster benützen und warten, daß man nach der Wende oben, kopfüber nach unten
    befördert wird – wie es den neuen Kollegen von den Alteingesessenen eingeredet worden war.
    H. Gruber

    1. Liebe Frau Gruber,
      danke für die Info.
      Ja, ich erinner mich auch noch gut an das nervöse Ziehen im Magen, als ich das erste Mal mit dem Paternoster bis ganz nach oben gefahren bin. Es ist ja auch eine spannende Konstruktion, die man sich nicht so leicht vorstellen kann.
      Alles Liebe
      Andrea Bauer

      1. Ich war heute mit meinem 6jährigen Enkel Paternosterfahren im Rathaus. Es war ein Erlebnis für uns. Nach 5 Runden trauten wir uns erst rundherumfahren, Oma hat erst da gelesen, daß es ungefährlich ist. Trotzdem haben wir uns beim 1. Mal an den Händen gehalten. Ich 70 Jahre, war mit meinem Opa dort, hab es nie vergessen und wollte es auch meinem Enkel zeigen.

        1. Liebe Frau Mayer,
          vielen Dank für ihren Kommentar.
          Ja, die alten Paternoster haben eindeutig Charme.
          Ich freue mich mit Ihnen, dass Sie und ihr Enkerl dieses kleine Alltagsabenteuer miteinander teilen konnten.
          Alles Liebe und einen wunderschönen Sommer
          Andrea Bauer

  4. Wie bei der KELAG gab es auch in der ehemaligen Zentrale der Wiener E-Werke in der Mariannengasse einen Paternoster. Die Zentrale der WEW wurde verlegt aber ich erinnere mich den Lift ca.. 2019 noch benutzt zu haben. Gehört für mich zur „Legende“ der alter E-Werke.

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