Eva Meloun ist eine außergewöhnliche Frau und Künstlerin, die sich ihren unverstellten Blick auf die Welt und das Leben bewahrt hat. Im Moment arbeite sie an einem mehrschichtigen Projekt zum Thema Kassandra.
Die Kassandra-Mythologie
Kassandra, eine Figur der griechischen Mythologie, war die Tochter des trojanischen Königs Priamos und seiner Frau Hekabe. Um ihre besonderen Begabungen zu fördern, wuchs sie bei ihrer Tante Penthesilea auf, der mutigen Anführerin und Königin der Amazonen, wo sie zu einer selbstbewussten jungen Frau heranreifte.
Apollo der sich in die schöne Jungfrau verliebte, schenkte ihr die Gabe der Weissagung. Doch als Kassandra seine Liebe zurückwies, rächte er sich bitter. Er verdammte sie dazu, wichtige Ereignisse und drohendes Unheil vorauszusehen und doch machtlos zusehen zu müssen, wie sich die Vorhersagen erfüllten, da keiner ihren Warnungen Gehör schenken würde.
So geschah es, dass Troja trotz der Vorhersagen Kassandras, im Trojanischen Krieg erobert und zerstört wurde. Sie selbst wurde dabei mißhandelt, geschändet und als Sklavin des Agamemnons nach Mykene gebracht.
Wieder sah sie die zukünftigen Ereignisse voraus und warnte Agamemnon vor seinem nahen Tod, doch niemand schenke ihr Glauben. Und so wurden beide, Agamemnon und Kassandra, bei ihrer Ankunft in Mykene von Agamemnons Frau Klytämnestra und ihrem Liebhaber ermordet.
Die Details der Geschichte kannst du hier nachlesen.
Eva und Kassandra
Kassandra ist eine wichtige Figur für Eva Meloun und der Mittelpunkt eines Projektes, zu dem es Bilder, Texte und eine interessante Vorgeschichte gibt.
Nachdem Eva mit 10 Jahren die Lebensgeschichte von Kassandra in Gustav Schwabs ‚Griechische Sagen‘ gelesen hat, ging ihr diese nicht mehr aus dem Kopf. Was sie wie folgt beschreibt:
Damals, ich war 15 Jahre alt, habe ich aus Lehm eine Büste der Kassandra gemacht.
Ein benachtbarter Bauernhof brannte in einer Gewitternacht durch Blitzschlag ab. Es war ein sehr alter mit Stroh und Moos bedeckter Hof, aus Lehmziegeln gebaut. In einem Kübel schleppte ich Lehmziegel nach Hause, wässerte, knetete den Lehm und formte schließlich eine Kassandrabüste. Ich war auf mein Werk sehr stolz.
Ich ließ diesen Kopf mit Oberkörper über Nacht auf dem Gartentisch zum Trocknen stehen.
Leider kam in der Nacht ein Gewitter und in der Früh war keine Kassandra mehr da, sondern nur mehr ein formloser Klumpen Lehm.
Viele Jahrzehnte später habe ich das Projekt Kassandra wieder in Angriff genommen.
Texte von Eva Meloun:
Kassandra lebt
Kassandra spricht
Im Augenblick ist sie noch auf der Suche nach Literaten, die sich ebenfalls mit Kassandra auseinandergesetzt haben, denn in absehbarer Zeit soll aus diesem für Eva wichtigen Projekt ein Buch werden.
Die angehende Künstlerin
Eva Meloun gehört zu den ganz wenigen Menschen, deren Lebensplan schon sehr früh erkennbar war.
Sie wuchs in einem äußerst anregenden Umfeld auf. Vater, Großvater und Urgroßvater malten, die Mutter Renate Seeliger war Schriftstellerin. Im Haus der Großeltern, wo sie in der Nachkriegszeit ihre frühe Kindheit verbrachte, lebten zu der Zeit nicht nur zahlreiche Familienmitglieder, sondern auch 8 Sudentendeutsche, die aus ihrer ehemaligen Heimat vertrieben wurden. Dieses Konglomerat von Generationen, Religionen und Ideologien, die Geschichten und Erlebnisse, die erzählt wurden und diese von gegenseitigem Respekt getragene Atmosphäre prägten sich der kleinen Eva ein. Es war eine schwierige Zeit, einerseits fühlte sie sich dort geborgen und doch war es eine Zeit, in der nichts und niemand sicher war. Diese andauernde Ambivalenz formte ihre Wahrnehmung.
Eva liebt seit jeher die Natur in ihrer ganzen Schönheit, deren natürlichen Zauber noch durch die Bücher des Großvaters, Dr. Otto Meloun (selbst ein großer Naturfreund und vielseitig interessiert) mit Wissen angereicht wurde. Diese Liebe zur Natur spiegelt sich auch mannigfaltig in ihren Landschafts- und Naturbildern wider, die sich wie ein roter Faden durch ihr künstlerisches Schaffen ziehen.
Auch ihre Großmutter mütterlicherseits unterstützte sie sehr, indem sie ihre Ideen unterstützte und ihrer Phantasie und Schaffenskraft niemals Fesseln anlegte. Und so war das Haus der Großeltern in Sattledt für die junge Eva ein Paradies. Dort konnte sie ihre Fertigkeiten entwickeln und ihre Fähigkeiten ausbauen. Sie brachte sich viel selbst bei. Schon mit 15 Jahren restaurierte sie zum Beispiel alte Bauernmöbel mit viel Geschick.
Auch ihr Vater unterstützte ihre künstlerischen Ambitionen gerne. Er führte sie in die Geheimnisse der Malerei ein und die verschiedenen Maltechniken. Er war es auch, der ihr die ersten Ölfarben aus Pigmenten anrieb, damit sie auch diese Technik erlernen konnte.
Später lebte sie in Wien und verdiente ihr Geld mit dem Kopieren alter Meister.
Trotz Familie, Kindern und ihrer Tätigkeit als Restauratorin oder Kopistin, hat Eva stets auch ihre eigene Kunst gepflegt und ausgebaut. Denn es drängte sie, die eigenen Wahrnehmungen und Ideen aufs Papier oder die Leinwand zu bringen, bzw. in Form von Objekten umzusetzen und somit für alle sichtbar zu machen.
Buchprojekte
Mit Isolde Lachmann, einer oberösterreichischen Dichterin, verband sie die Liebe zur Natur, was bald auch zu einer sehr produktiven Zusammenarbeit führte, die einige sehr schöne Bücher hervorbrachte.
Isolde hatte die wunderbare Gabe, die Natur in ihren Texten (Geschichten, Gedichten, Haikus, Tankas) erfahrbar und erlebbar zu machen. Und Eva versteht es Gesehenes in Farben zu abstrahieren und somit mehr ein lebendiges Gefühl als die Landschaft selbst wiederzugeben. Die Naturbilder ziehen sich wie ein roter Faden durch das Schaffen von Eva Meloun.
Dass sich diese beiden Frauen gefunden haben, ist einer jener schöner ‚Zufälle‘, die uns das Leben beschert. Meist gab es nur eine vage Themenvorgabe für das nächste Buchprojekt, wie ‚Jahreszeiten‘, und beide Frauen arbeiteten unabhängig voneinander, ehe sie sich in Mauer oder Linz trafen. Dann breitete Isolde ihre Texte aus und Eva legte ihre Bilder dazu, die wie dafür gemacht schienen. Es war als ob sie 2 Seelen mit unterschiedlicher Sprache aber derselben Auffassung wären.
Hier sind die Früchte dieser wunderbaren Zusammenarbeit, die leider mit dem Tod von Isolde Lachmann im Jahr 2006 endete:
- Diamant im Schacht
- Die Erde wird sichtbar
- Die Tulpen-Tänzerin
- Wer aus mir trinkt wird ein Reh
- Eiswasser
- Das weiße Herz
- Von Bäumen und Rosen
Später begann Eva selbst (wieder) zu schreiben, ein Talent, das sie früher nur für private Zwecke nutze. Seit ca. 2008 schreibt sie sowohl Texte zu ihren Projekten, als auch zu anderen ihr wichtigen Themen und veröffentlicht diese auch auf ihrer Homepage und in Zeitschriften.
Als Beispiel der Annäherung Eva Melouns an ein Thema, möchte ich hier das Projekt Elisabeth Fry erwähnen – zu es sowohl ein Bild als auch einen Text gibt.
Elisabeth Fry (1780 – 1845) wurde als „Engel der Gefängnisse“ bekannt. Diese großartige Frau hatte es sich zur Aufgabe gemacht, den Kindern inhaftierter Frauen, die bis dahin mit ihren Müttern unter unmenschlichen Bedingungen in den Gefängnissen dahinvegetierten, zu helfen.
Außerdem schreibt sie Kinderbücher. Dabei schneidet sie wichtige Themen an, die sie sehr einfühlsam umsetzt und den Kindern Mut macht, schwierige Situation im Leben zu meistern.
Ihr Erstlingswerk „Rosamunde“ (Text und Illustration von Eva Meloun) beschäftigt sich auf sehr liebevolle Weise mit dem Thema Trauer und der Bewältigung des Verlustes eines geliebten Menschen. Doch es gibt bereits 2 weitere Kinderbuchprojekte, die nur noch darauf warten gedruckt zu werden.
In der Künstlerischen Volkshochschule gibt sie auch Kurse zu diesem Thema. In ihrem Kurs „Illustrieren und Gestalten von Kinderbüchern“ begleitet sie die Teilnehmer auf ihrem Weg von der ersten Idee über die Entwicklung eines Storyboards, der Auswahl des Textes, der Illustration, bis zum fertigen Werk, das einem Verlag angeboten werden kann.
Evas besondere Gabe
Sie hat eine ganz besondere Gabe, sie ist Synästetikerin. D.h. sie nimmt viel mehr wahr als viele andere, sieht abstrakte Begriffe, Buchstaben und Zahlen in Farben und Formen. Ebenso verhält es sich mit ganzen Texten. Man kann es vielleicht am besten so ausdrücken, dass sie die Schwingung, die ein Mensch, ein Text oder eine Landschaft aussendet, mehrdimensional farbig wahrnimmt. Eine wunderbare Gabe für eine Künstlerin, die sie vielfältig in ihr Schaffen einbringt. So schafft sie eine Symbiose aus Wort, Bild und Raum, in einer unglaublich ansprechenden Ästhetik.
Durch diese Besonderheit nimmt sie Eindrücke seit frühester Jugend mehrschichtig wahr. Sie sieht die äußere Welt klar und kann darauf reagieren und gleichzeitig hat sie eine Art Innenschau, also eine 2. Wahrnehmungsebene, die das Gesehene oder Gehörte in Farben übersetzt. Wie jemand der 2 Sprachen spricht und im Hinterkopf das Gehörte übersetzt.
Vielleicht ist das das Geheimnis, wie sie selbst in schwierigsten Lebenssituationen ihre innere Stabilität bewahren und ihre künstlerische Arbeit weiterführen konnte.
Vielleicht fasziniert sie die Geschichte von Kassandra vor allem auch deshalb so, weil es ihr ähnlich ging. Sie sah viel mehr als andere und konnte es anderen nicht erklären, denn die Wissenschaft hat sich erst vor Kurzem mit dieser Besonderheit dieser Wahrnehmung zu befassen begonnen. Aber es waren wohl auch ein Auflehnen gegen Gewalt gegenüber Frauen, Krieg und seine Folgen.
Synästesie gibt es in verschiedenen Formen und ist eine Gabe, die Eva mit berühmten Personen der Vergangenheit und Gegenwart teilt, wie z.Bsp.:
Berühmte Synästhetiker der Vergangenheit waren z.B. die Komponisten Franz Liszt (Deutschland/Ungarn) und Jean Sibelius (Finnland). Auch der Maler Wassily Kandinsky (Russland) nutzte seine Gabe, um besonders „musikalische“ Bilder zu malen.
Bekannte Synästhetiker der Gegenwart sind z.B. die französische Pianistin Hélène Grimaud, der kalifornische Maler und Bühnenbildner David Hockney, der deutsche Fotograf und Maler Matthias Waldeck, die deutsche Autorin und Malerin Mischa Bach und die deutsche, blinde Tibetologin Sabriye Tenberken, die eine tibetische Blindenschrift entwickelte und in Tibet die erste Blindenschule gründete.
Was mich besonders fasziniert
Eva wirkt auf mich ungemein stark. Nur wenn sie über die schwierige Nachkriegszeit spricht, die Russenbesatzung und dass nicht alles in ihrem Leben nach Plan lief, wird sie leiser. Das machst sie sehr sympathisch, vor allem weil sie trotzdem darüber spricht.
Das Leben hat ihr nichts geschenkt, doch sie ging immer mutig ihren Weg und vertritt ihre Meinung.
Ein Gedicht von Isolde Lachmann, das ich vor Kurzem gelesen habe, passt auf Eva Meloun voll:
Der Stein, der in mein Leben fiel, hat seinen tiefen Sinn.
Wo ich ihn nicht versetzen kann, muss ich ihn überblüh’n!
Und doch hat sie sich ihre kindliche Neugier und das Staunen bewahrt.
Immer wieder hinterfragt sie kolportierte ‚Wahrheiten‘ und setzt sich kritisch mit dem Zeitgeschehen und dem Leben auseinander – in ihren Texten ebenso wie in ihrer Kunst.
So beschäftigte sie sich auch mit der Flüchtlingswelle, die Europa überschwemmt, und den Auswirkungen, die das zukünftig auf die Kunst haben kann. Sie verfasste dazu einen sehr sensiblen Artikel mit dem Titel „Und ich begehrte, nicht schuld daran zu sein“ – ein Text, der zum Nachdenken anregt.
Mehr über Eva Meloun und ihr Werk findest du unter http://meloun.at
(April 2016)
Fotos © Eva Meloun